Bejkempa
Der Bejkempa ist einer der längsten und wasserreichsten Ströme Armeneas. Er wird von sieben großen Quellflüssen gespeist, die im fernen Norden entspringen und sich in den Landen der Zusammenkunft zum Bejkempa vereinen, von wo der Strom seinen gewaltigen Lauf nach Süden antritt, das von ihm gebildete Bejkempa-Meer speist und durchfließt und schließlich in einem großen Delta in den westlichen Barijak mündet, ein Nebenmeer des Meers der tausend Träume.
Größe
Kein Strom Armeneas kann sich in Größe und Macht mit dem gewaltigen Skamander messen. Dies gilt auch für den Bejkempa, der jedoch den Vergleich mit keinem anderen Fluss Armeneas zu scheuen braucht. Niemand hat jemals die genaue Zahl der Meilen gemessen, die der Bejkempa auf seinem Weg nach Süden zurücklegt, doch vermuten die Gelehrten, dass der Strom mit gemeinsam mit seinen Quellflüssen mehr als einhunderttausend Kilometer durch den Leib Armeneas fließt und dabei zahllose Flüsse und Ströme in sich aufnimmt.
Unterteilung
Traditionell wird der Bejkempa in sieben Abschnitte unterteilt. Diese sind, dem Lauf von Norden nach Süden folgend:
- 1.Die Quellflüsse des Bejkempa, auch "die sieben Mütter" genannt
- 2.Die Lande der Zusammenkunft
- 3.Der Obere Bejkempa, auch "der wilde Bejkempa" genannt
- 4.Der Hohe Bejkempa
- 5.Das Bejkempa-Meer
- 6.Der südliche Bejkempa
- 7.Der untere Bejkempa
1.Die Quellflüsse des Bejkempa
Die sieben Quellflüsse des Bejkempa, in vielen Liedern auch als „die sieben Mütter“ personifiziert, entspringen in weit von einander entfernten Landen, die an Gestalt kaum unterschiedlicher sein könnten. Sie kommen aus drei Himmelsrichtungen - West, Nord und Ost - herbei, um sich später zu ihrem Sohn Bejkempa zu vereinen. Die Reihenfolge, in der die sieben Flüsse genannt werden, ist für viele Bejkempa-Kulte ein wichtiges und höchst umstrittenes Thema. Es heißt, es seien bereits Kriege geführt worden, wenn Stämme oder Reiche, die eine der Mütter besonders verehrten, sich durch ihre späte Nennung gekränkt fühlten. Hier wird die Reihenfolge alphabetisch gelistet:
Ashanaera, die brennende Mutter
Die Ashanaera fließt von Nordosten in die Lande der Zusammenkunft. Sie entspringt den finsteren Gebirgen und unzugänglichen Schluchten des Ontai, eines unwirtlichen Bergrückens aus schwarzem, schroffem Felsgestein, das nur vom finsteren Glimmen und den Feuerzungen gewaltiger Vulkane und träger Lavaströme unterbrochen wird. Zwischen ihnen hindurch winden sich die brodelnden und sich nur langsam abkühlenden Fluten der Ashanaera, die von totem, trübem Wasser voller Schwefel und Gift gespeist wird, das unterirdischen Seen entspringen, die niemals das Licht der Sonne sahen. Gewaltige Wolken aus Asche und geschmolzenem Gestein liegen wie ein dunkler Schleier über dem Ontai und sperren Himmel und Gestirne für viele Meilen auch über dem Lauf der Ashanaera aus.
Die Ufer der Ashanaera sind über viele hundert Meilen wüst und von dampfenden, heißen Steinwüsten umgeben, denn die Hitze des Ontai und der heiße Regen aus den Schwefelwolken der Vulkane heizen den Strom und die umgebenden Lande stark auf und verbrennen Wälder zu verkohlten, toten Wüsten. Mancherorts treiben brennende Teppiche auf dem Wasser der Ashanaera, die an Arnaner Feuer erinnern, und das Wasser brodelt vor Hitze. Lavaströme fließen aus dunklen Schluchten heran und branden dampfend und zischend in die gierigen Fluten des heißen Stroms. Brodelnde Blasen steigen aus dem Fluss auf und zerplatzen an der Oberfläche. Die Luft ist heiß, stickig und voller giftiger Schwaden.
Erst wenn die Ashanaera die Pforte des Feuers, einen natürlich gewachsenen Bogen aus schwarzem Stein, der den Lauf des Flusses wie ein warnendes Tor überspannt, passiert hat und hernach auf ihrem Weg in die Lande der Zusammenkunft andere Wasserläufe einsammelt, wird die Fahrt auf der brennenden Mutter erträglicher. Doch begleiten Lavakanäle und glutheiße Flüsse den Lauf der Ashanaera unterhalb der Oberfläche, um immer wieder an ihren Ufern hervorzubrechen und Tod und Schwefel zu verbreiten oder sich ins Flussbett zu bohren und den Fluss der Glutmutter aufs Neue zu erhitzen.
Dennoch erheben sich zwischen der Pforte des Feuers und den Landen der Zusammenkunft Zivilisationen und Reiche, die nicht nur von Wilden und primitiven Barbaren beherrscht werden. Auch mächtige Fürsten errichten seit Urzeiten ihre Königtümer entlang der Ufer der Ashanaera und gewinnen große Macht. Sie führen ihre Armeen in wilden Kriegen voller Blutdurst gegeneinander, doch zum manchen Zeiten vereinigen sie sich und ziehen in gemeinsamen Kreuzzügen gegen die Reiche anderer Quellflüsse oder gar bis über die Lande der Zusammenkunft hinaus, um den Krieg an die Ufer des Bejkempa zu tragen. In vielen Reichen am Ufer der Ashanaera wird die Göttin in grausamen Ritualen verehrt und Feuer spielt in nahezu allen Kulturen dieser Lande eine zentrale Rolle.
Die Ashanaera bleibt stets ein heißer und wilder Fluss, der Reisenden große Schnelligkeit schenken kann, aber auch eine stete Gefahr darstellt.
Betara, die eisige Mutter
Von allen Quellflüssen des Bejkempa entspringt die Betara am weitesten nördlich. Ihre Heimat liegt irgendwo in den unerforschten, endlosen Eiswüsten des Nordens. Über viele hundert Meilen fließt das Wasser der Betara unterhalb einer gewaltigen Schicht aus Eis, bis der Fluss hervorbricht und sich von der Macht der namensgebenden Göttin gestärkt seinen Weg durch die Lande des ewigen Winters bahnt, in dem alle anderen Seen und Flüsse auf ewig erfroren verharren.
Nur wenig zivilisiertes Leben existiert entlang der größten Strecke der Betara. Über Tausende von Kilometern sind ihre Ufer und die angrenzenden Lande mit ewigem Eis bedeckt oder versinken zumindest während des größten Teils des Jahres unter schier endlosen Massen aus Schnee. Große Herden aus Venhir, Kantra-Ren und anderen Polartieren ziehen durch die weißen Einöden, während Eisbullen sich träge schnaufend aus den bitterkalten Fluten stemmen, um an den Ufern die wenigen, wärmenden Sonnenstrahlen zu genießen, und gewaltige Räuber wie Eiswürmer, Wyndrae und Schneebären auf die Jagd gehen. Die wenigen Menschen und Zwerge des siebten Hauses, die hier leben, sind harte, schweigsame Burschen, für die der Kampf um das Überleben zum Alltag wurde. Die Härte der eisigen Lande hat sie geprägt.
In den kargen Ebenen, die südlich an die Eislande grenzen und schließlich in die Lande der Zusammenkunft übergehen, herrscht zwar kein ewiger Winter, doch sind die Lebensbedingungen beinahe ebenso hart. Beißende Winterstürme fegen über baumlose Steppen, in denen hart gesottene Nomaden mit ihren Herden ziehen und Reiterfürsten um die Vorherrschaft kämpfen. In diesen Landen erheben sich nur wenige echte Städte, doch kann man entlang der Betara manche Ruine aus einer ruhmreicheren Zeit erblicken – erste Vorboten der Lande der Zusammenkunft.
Laena, die schöne Mutter
Die Laena ist der östlichste Fluss, der zur Geburt des Bejkempa beiträgt. Sie ist ruhiger und verspielter als die übrigen Quellflüsse, gabelt ihren Lauf vielerorts in Seitenarme und bildet so zahlreiche, von den einzelnen Flussläufen begrenzte Inseln, die in manchen Fällen größer sind als die Breite aller Flussarme zusammen. Manche Seitenarme versiegen auf ihrem Lauf oder verschwinden in unterirdischen Höhlen, doch die meisten finden früher oder später wieder zueinander zurück, um von Neuem den Hauptarm des Stromes zu bilden. Zahlreiche, liebliche Nebenflüsse speisen die Laena, doch bleibt der Fluss stets anmutig und verspielt, auch wenn ihm eine verborgene, sanfte Kraft innewohnt. In manchen Liedern und Gedichten wird die Laena mit neugierigen Tierkindern verglichen, die verspielt und voller Neugier die umgebenden Lande erkunden.
Die Laena fließt ruhiger und sanfter als die meisten Quellflüsse des Bejkempa und bildet vielerorts in der Sonne glitzernde Seen, an deren Ufern lichte Wälder und Auen erblühen. Kleine Katarakte und sanfte, oft nur mannshohe Wasserfälle sind typisch für das Bild des lieblichen Stroms. Schwäne und andere Wasservögel nisten in großer Zahl entlang ihres Laufes und viele Schwärme kleiner Fische tummeln sich unterhalb der Wellen. Große Schiffe können die Laena auf Grund stark variierender und manchmal sehr flachen Wassertiefen nur in begrenzten Abschnitten befahren. Selbst kleine Boote setzen von Zeit zu Zeit auf Sandbänken oder Klippen auf, so dass viele Flussschiffer die Laena mit breiten Flößen befahren.
Doch die Laena ist auch ein launischer Fluss. Ihre Flussarme ändern scheinbar willkürlich ihren Lauf und verschlingen dabei ganze Flussinseln, während sie gleichzeitig neue Eilande gebären. Selbst die Wassertiefe scheint vor willkürlichen Wandlungen nicht gefeit und so warten auf Reisende tiefe Passagen an Orten, an denen bei der letzten Wanderung noch seichte Furten den Übertritt erlaubten. Mancherorts verbergen sich große Kessel unter den Wellen, in denen gefährliche Unterströmungen eine Rückkehr beinahe unmöglich machen. Legenden über vergessene und verborgene Städte unter den Wogen wollen nicht verstummen.
Die vermeintliche Idylle kann sich als sehr trügerisch erweisen. So verbergen sich im Sand des Flussbettes und am Ufer Aale, Skorpionen und andere gefährliche Jäger und noch so schöne Bäume tragen köstlich aussehende und wohlschmeckende, aber höchst giftige Früchte. In gewissen Zyklen scheinen sich düstere Wandlungen mit den sonst so schönen Landen entlang des Stromes zu vollziehen. Aus lichten Wäldern werden des Nachts oder bei manchen Konstellationen von Monden und Sternen düstere und undurchdringliche Orte voller Gefahren und Bestien. Schönheit verwandelt sich in Schrecken, Anmut in Düsternis und Idylle in Gefahr.
Große Siedlungen oder gar Reiche sind entlang der Laena und ihrer Nebenflüsse selten, doch leben Elben, Halblinge und auch manche Menschen ein einfaches, aber zumeist glückliches Leben in kleinen Gemeinschaften. Handelskarawanen und große Schiffe sind auf dem schönen Fluss noch seltener.
Nimara, die grüne Mutter
Die Nimara nähert sich den Landen der Zusammenkunft von Westen, entspringt aber weit im Süden in jenem schier endlosen Forst, den die Menschen Dunkelforst, aber auch „Den alten Mann“ und „Das grüne Meer“ nennen oder ihm einen von tausend anderen Namen geben. Die Quellen der Nimara liegen irgendwo in den Tiefen dieses gewaltigen Ozeans aus Bäumen verborgen und kein verlässlicher Bericht kündet von einer Reise, die den Ursprung der grünen Mutter entdeckt habe. Eine Fahrt so tief in den Dunkelforst kann sehr gefahrvoll sein und vielleicht kehrten jene, die die Quellen der Nimara entdeckten, nie zurück.
Nach einem schier nimmer endenden Lauf tritt die Nimara als breiter Strom im Nordosten des Dunkelforstes zwischen seinen Bäumen hervor, fließt zunächst weiter nach Norden und schließlich in einer gewaltigen Schleife nach Osten, um als westlichste Mutter in die Lande der Zusammenkunft einzutreten.
Der Beiname „die grüne Mutter“ rührt nicht nur von der Herkunft des Flusses im endlosen Grün des Dunkelforstes, sondern spielt auch auf die Farbe des Wassers an, das dunkelgrün ist. Selbst die Flüsse, die die Nimara auf ihrem Weg zur Geburt des Bejkempa aufnimmt, können mit ihrem klaren, blauen Wasser nichts daran ändern. Erst im Bejkempa verliert sich die Farbe der Nimara, wenn sie sich mit den sechs anderen Müttern vereint. Zuvor ist das Wasser so dunkel, dass Blicke es kaum durchdringen können. Weder Unterwasser noch von oben hineinschauend kann das Auge weit sehen.
In diesem trüben Grün verbergen sich zahlreiche Fischschwärme, aber auch gefährliche Kreaturen. Schwimmende Würgeschlangen, Panzerechsen, giftige Eidechsen, Tiermenschen, große Raubfische, finstere Nereiden und wahre Ungetüme gehen in den schützenden Fluten auf Jagd und suchen nicht nur unterhalb der Wellen nach Beute. Die meisten dieser Kreaturen stammen aus dem Dunkelforst und wagen sich im Schutz der Nimara aus der Deckung des Waldes, doch auch manche Kinder der Göttin finden sich unter diesen Jägern.
Innerhalb des Dunkelforstes stehen endlose Reihen von Bäumen wie stille Wächter entlang des Ufers. Im Dickicht verbergen sich mancherorts die Späher von primitiven Waldbewohnern, doch auch große Rudel der Tiermenschen und schlimmere Kreaturen beobachten den Strom wachsam. Mancherorts kann ein Reisender jedoch auch die vom Urwald zurückeroberten Ruinen längst vergessener Kulturen erkennen, von denen manche noch immer große Macht beherbergen sollen, aber auch nicht immer so verlassen sind wie es zunächst scheint. Sie sind die verlorenen Zeugen alter Reiche, die im Kampf gegen den Dunkelforst unterlagen und nun für immer verloren sind.
Jenseits des Dunkelforstes wird das Leben an den Ufern der Nimara weit häufiger und zivilisierter, wenn auch nicht immer friedlicher. Zwischen den zahlreichen, kleineren Wäldern, von denen manche Kinder des Dunkelforstes, andere aber auch lichte und freundliche Forste sind, liegen kleine Fischerdörfer und selbst manche große Stadt, aber kaum weite Lande umspannende Reiche. Stets bleibt die Natur an der Nimara und auch entlang ihrer meisten Nebenflüsse die vorherrschende Macht.
Quar´Mudra, die siechende Mutter
Kein anderer Quellfluss des Bejkempa ist länger als die Quar´Mudra (abgesehen vielleicht von der Nimara, deren Quellen noch nicht entdeckt wurden). Sie wird auf Grund der langsamen Fließgeschwindigkeit auch „die träge Mutter“ oder ob der menschenleeren, öden Lande auch „die schweigende Mutter“ genannt. Bedächtig zieht sie von Nordwesten in die Lande der Zusammenkunft und kommt vielerorts beinahe zum Stehen, so dass sie gewaltige, stille Seen bildet, die an übergroße, stinkende Tümpel erinnern und sich zu Größe kleiner Meere verbreitern.
Nur mühsam quält sich der alte Strom vorwärts und kann kaum sein endgültiges Erstarren verhindern. Uraltes Treibholz hat sich mancherorts zu gewaltigen, natürlichen Dämmen gestaut, verlangsamt den trägen Lauf noch mehr und bildet gewaltige Barrieren, die die Schifffahrt auf der Quar´Mudra deutlich erschweren. Allein, wen sollte dies kümmern? Wohin sollte ein Floß gestakt werden? Wohin sollte ein Händler segeln? Es gibt keine Städte an der Quar´Mudra, allenfalls uralte Ruinen. Es gibt keine Bergwerke, in denen nach Eisen, Kupfer und Gold geschürft würde. Es gibt keine Herden, die zu jagen sich lohnen würden. Krankheiten haben die Zivilisationen ausgelöscht, die vor längst vergessener Zeit entlang des Flusses erblühten, und Seuchen haben die Menschen vertrieben.
Einzig Mücken und Insekten gibt es entlang der Quar´Mudra in gewaltiger Zahl. In den stehenden Gewässern und toten oder sterbenden Uferwäldern nisten sie ungehindert, um sich milliardenfach zu erheben. Der langsame Strom trägt ihre Larven und somit die von ihnen verbreiteten Krankheiten auch in die Lande der Zusammenkunft, doch können die dort lebenden Menschen kaum ermessen, in welch schrecklicher Masse sie die wenigen Herden von Rindern, Ziegen und anderen Tieren heimsuchen, die die kargen, verdorrten Felder zu beiden Seiten der Quar´Mudra auf der Suche nach dem letzten Grün durchwandern.
Von den Quellen in den leblosen Hügeln im fernen Nordwesten bis zu den Landen der Zusammenkunft bietet sich einem Reisenden ein stets eintöniges Bild. Totes Land erhebt sich zu beiden Seiten soweit das Auge reicht, unterbrochen nur von Hügeln aus Schlacke und zerbrochenen Felsen, Ruinen und weitläufigen Sümpfen und Mooren, die ein wenig mehr Nahrung und Vegetation bieten als die kargen Felder.
Auch das Klima ist entlang der Quar´Mudra stets gleich als sei es so erstarrt wie einer der zahlreichen toten Flussarme und so eintönig wie die Landschaft. Unter einem wolkenverhangenen Himmel geht selbst eine leichte Brise Wind nur selten. Es ist drückend, heiß und stets feucht, doch es regnet nur selten. Weiter vom Fluss entfernt wird das Land trockener. Zwar ist die Luft immer noch schwül, doch der Boden ist ausgetrocknet und brüchig. Erst wenn man die Quar´Mudra weit hinter sich lässt, kommt man in freundlicheres Gebiet.
Torr Hargha, die eherne Mutter
Die Torr Hargha kommt aus Nordwesten in die Lande der Zusammenkunft. Sie ist ein breiter, tiefer und doch schnell fließender Strom voller Kraft. Im Winter führt die Torr Hargha gewaltige Eisschollen und überschwemmt mit dem Tauwasser, das sie und ihre Nebenflüsse aus den Bergen einsammeln, viele Lande entlang ihrer Ufer, doch bringt sie damit nicht nur Verderben, sondern auch fruchtbaren Schlamm, der die Felder erblühen lässt. In den Sommermonaten und noch bis lange in den Herbst herrschen entlang der Torr Hargha überwiegend heiße Tage und schwüle Nächte.
Entlang des Stromes und seiner Nebenflüsse erstrecken sich viele weite und offene Steppen, in denen hohe Gräser wachsen, und Ebenen, die von sanften Hügelketten und lichten Wäldern gesäumt werden. Hier weiden gewaltige Herden von Wildpferden, Venhir und anderen Tieren und dienen großen Jägern als Nahrung. Streitbare Nomaden kämpfen um die besten Weidegründe und Wasserlöcher. Unterbrochen werden diese weiten Lande von hohen und schroffen Gebirgen, in denen reiche Adern aus Erz und Gold durch den Stein verlaufen, doch auch Drachen und andere machtvolle Kreaturen lauern. Und kein Bergrücken ist mächtig genug, um den Lauf der Torr Hargha zu stoppen oder umzuleiten. Sie durchbricht selbst gewaltige Berge, schneidet breite Täler in unwegsamen Fels und setzt ihren Lauf unbeirrt fort.
Die Schätze, die Wälder, Felder und Berge an den Ufern der Torr Hargha bieten, sind eine Basis für den Wohlstand mancher Städte und Reiche, denn sie werden von wagemutigen Händlern, die den Piraten, Flussungeheuern und anderen Gefahren auf der Torr Hargha trotzen, von einem Reich zum nächsten transportiert und mit beachtlichem Gewinn verkauft. Eine andere Säule der Wirtschaft der Reiche entlang der Torr Hargha ist der Krieg und die damit gewonnene Beute, eng verbunden mit dem florierenden Sklavenhandel.
Mächtige Kriegsfürsten und Könige, skrupellose Händler und ruchlose Tyrannen beherrschen die größten Städte und Reiche entlang der Torr Hargha, doch finden sich auch viele alte Ruinen und verwunschene Orte an den Ufern, während große Räuberbanden, Kriegshorden, grausame Unholde und gewaltige Ungetüme frei durch die Weiten der Lande streifen. Aber die Lande der Torr Hargha bringen auch große Helden hervor, die für Ruhm und Reichtum schrecklichen Gefahren trotzen, heroische Wagnisse eingehen und in Liedern überall entlang des Flusses gepriesen werden. Die wilden Jahre des vierten Zeitalters scheinen an der Torr Hargha nicht vergangen zu sein und selbst die Herrschaft Amgasts im fünften Alter konnte diese Lande nicht endgültig zähmen. Auch daher gilt die Torr Hargha vielerorts im Einzugsbereich des Bejkempa und der weiter westlich gelegenen Lande als Sinnbild der Dauer und Beständigkeit, aber sie steht auch für unerbittliche Härte.
Wos, die tosende Mutter
Die Wos ist ein wilder Fluss voll unbändiger und urtümlicher Kraft. Weniger lang als die übrigen Quellflüsse kommt sie mit viel Gewalt steil aus den Bergen des Nordens herab. Sie stürzt über große und kleine Wasserfälle, Katarakte und steinerne Stufen zwischen tiefen, unwegsamen Wäldern nach Süden. Vielerorts brechen die Wassermassen in einem Schwall zwischen Felsen heraus, quellen von Unterströmungen getrieben in sprudelten Pilzen aufwärts, branden in gewaltigen Wogen an steil aufragenden, den Strom begrenzende Felswände und brechen tiefe Schluchten ins Gestein. Stromschnellen und tückische Kehrwasser machen eine Fahrt auf der Wos zu einem gefahrvollen Unternehmen. Eine Reise stromaufwärts scheint unmöglich.
So bricht sich die Wos ihre Bahn mit Gewalt durch den Stein und erschafft dabei gewaltige Schluchten, so dass ihre bewaldeten Ufer oft hunderte Meter über dem Fluss aufragen. Vereinzelt spannen sich gewaltige Steinbrücken von Felswand zu Felswand hoch über die Wos und blicken wie Zeugen aus einer längst vergessenen Zeit in die Tiefe. An anderen Orten unterspült der mächtige Gebirgsfluss den Fels, so dass riesige Steine aus den Wänden brechen und in die Tiefe stürzen, wo sie in den tosenden Wassermassen verschwinden. Andere Felsblöcke treiben wie Holz über viele Meilen auf den kraftvollen Wogen des gewaltigen Flusses, bevor sie untergehen oder wie Kinderbälle ans Ufer geschleudert werden. Hier und dort stößt die Wos tief ins Gestein und rauscht über Dutzende oder gar hunderte Meilen durch die Dunkelheit bizarrer Felshöhlen, die die Urgewalt des Flusses schuf, um anderenorts aus dem Gestein herauszubrechen und ihren unaufhaltsamen Lauf fortzusetzen.
Auch ihre Nebenarme graben tiefe Schluchten in den Fels, um sich nach kurzer oder langer Strecke wieder mit dem Hauptstrom zu vereinen oder schließlich in toten Enden zu erlahmen, wenn die Kraft des Nebenarmes versiegt und den Stein nicht weiter verdrängen kann. Kleine Bergquellen und breite Nebenflüsse speisen die Wos und stürzen mit ihr gemeinsam nach Süden. Unter den zahlreichen kleinen und großen Wasserfällen ragen die Grauklippen heraus, über die der Fluss mit solcher Kraft mehrere hundert Meter nach unten stürzen, dass die Gischt wieder bis nach oben spritzt.
Nur wenige Siedlungen finden sich entlang der Wos und ihrer Zuflüsse. Es ist ein von schroffen Klippen, gewaltigen Felskämmen und dichten, urtümlichen Wäldern bedecktes Gebiet, in dem nur wenige Menschen leben. Selbst wilde Stämme sind nur selten anzutreffen, doch leben Tiermenschen und Wildtiere in den Landen entlang der Wos. Allerlei Legenden über arglistige Zauberweiber, düstere Beschwörer und andere Unholde werden über die Lande der Wos erzählt. Manche sind sicherlich nur nur Ammenmärchen, die in weit entfernten Schenken ersonnen wurden, doch andere basieren auf grausamer Wahrheit.
Wenn die Wos das Gebirge und die urtümlichen Wälder hinter sich lässt, verliert sie immer größere Teile ihrer Kraft, doch dringt sie noch immer brausend in die Lande der Zusammenkunft ein, wo ihre wilden Wassermassen oftmals aus dem engen Flussbett treten und weite Gebiete überschwemmen. Selbst wenn sie sich mit den übrigen Quellflüssen vereinigt, schäumen ihre tosenden Wellen noch immer voll ungezähmter Wildheit, bis sie schließlich gänzlich im Bejkempa aufgeht. Ihm schenkt sie ihre Kraft und lässt sich von ihm allein auch zähmen.
Reisende sind in dieser Gegend sehr selten. Was könnte man hier auch suchen? Allenfalls Schamanen, einzelgängerische Jäger und Eremiten, denen es nach Einsamkeit verlangt, kann die Wildnis etwas bieten. Karawanen finden hingegen nur wenig, was sich für den Handel eignen würde. Allenfalls seltene Kräuter, Wurzeln, Seelenstein und andere Ingredienzien für Alchimistenwerk und dunklere Zwecke treiben Kaufleute in die Urwälder und Berge, die die Wos durchschneidet. Erst kurz vor den Landen der Zusammenkunft finden sich zivilisiertere Siedlungen in der Nähe der Wos, doch liegen die meisten an ihren Nebenflüssen und nicht am unberechenbaren, ungebändigten Hauptarm.
Geographische Orientierung
Während die Quellflüsse oben in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt sind, werden sie geographisch von Westen nach Osten wie folgt aufgezählt:
- Nimara (die grüne Mutter), sie von Südwesten her heranfließt,
- Torr Hargha (die eherne Mutter), die aus dem Westen kommt,
- Quar´Mudra (die siechende Mutter), die aus dem Nordwesten stammt,
- Betara (die eisige Mutter), die im Norden entspringt,
- Wos (die schäumende Mutter), die im Nordosten geboren wird,
- Ashanaera (die brennende Mutter), die den Osten beherrscht, und schließlich
- Laena (die schöne Mutter), die aus Südosten durchquert.